Digitales Kondolenzbuch zum Trauern

Als ein guter Freund 2015 verstarb, war die Bestürzung in seinem mehrere tausende Freunde zählenden Profil groß. Noch immer posten Freunde und Bekannte von Kurt eine Zeile des Gedenkens. Auch 4 Jahre nach seinem Tod. Facebook ist für diese Menschen zum Kondolenzbuch geworden. Ein Ort, an dem sich Gleichgesinnte treffen, um einer lieben verstorbenen Person zu gedenken und gemeinsam zu trauern.

2,37 Milliarden Menschen nutzen Facebook derzeit weltweit. Trotz Krisen und Datenschutzproblemen steigt die Zahl der Nutzer weiter. In den kommenden Jahren wird aber auch die Zahl der verstorbenen Netzwerker dramatisch steigen. Dadurch wird der Umgang mit dem sogenannten ‚virtuellen Erbe’ thematisiert.

Hat Facebook 2070 mehr tote als lebende Nutzer?

Bei Facebook könnten in 50 Jahren mehr tote als lebende Nutzer registriert sein. Das geht aus einer aktuellen Studie des Oxford Internet Institute in Großbritannien hervor.

Mindestens 1,4 Milliarden Facebook-Mitglieder werden bis 2100 sterben. Das basiert auf der Grundlage von Nutzerzahlen (2018) sowie UN-Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung.

Facebook-Daten als Kultur-Archiv

Die wachsende Zahl gestorbener Facebook-Mitglieder wirft wichtige Fragen zum virtuellen Erbe der Nutzer von sozialen Netzwerken auf. Der Forscher David Watson benennt die Archive digitaler Netzwerkplattformen als historische Archive menschlicher Kultur. Es sei wichtig, dass der Zugang zu diesen Daten nicht nur einem einzigen profitorientierten Unternehmen zur Verfügung stünden. „Wir müssen sicherstellen, dass zukünftige Generationen unser digitales Erbe nutzen können, um ihre Geschichte zu verstehen“, sagte Watson.

Das digitale Kondolenzbuch kommt

Bald werden Freunde und Bekannte auf den Facebook-Profilen von verstorbenen Menschen Nachrichten hinterlassen können. Das digitale Kondolenzbuch soll in einem eigenen Bereich jenseits der Chronik stattfinden.

Bislang haben Nutzer von Facebook die Möglichkeit, eine Person zu benennen, die in dem Fall des eigenen Ablebens das Facebook-Konto übernimmt. Diese Person kann das Profilbild wechseln, einen Beitrag in der Chronik verfassen und Freundschaftsanfragen beantworten. Über dem Namen des toten Mitglieds erscheint zudem der Schriftzug „In Erinnerung an“.

Mehr Rechte für digitale Nachlassverwalter

Wie das Unternehmen vor kurzem bekannt gab, soll auf Facebook nun ein Ort des Gedenkens geschaffen werden. Bislang war dies nur auf der Timeline möglich. Der Nachlassverwalter für das jeweilige Profil soll entscheiden dürfen, wer die Gedenknachrichten sehen kann und auch einzelne Nachrichten löschen können. Facebook-Mitglieder, die noch keinen Nachlassverwalter benannt haben, können das in den Einstellungen tun (–> Konto verwalten –> Namen eines Freundes/einer Freundin ein und klicke auf Hinzufügen).

Digitaler Nachlass

Mit dem Einrichten von Nasslassverwaltschaften werden auch verstörende automatisierte Rundmails eingestellt. So kommt es häufig vor, dass Facebook die Freunde eines Verstorbenen auf dessen bevorstehenden Geburtstag hinweist. Das ist auch mir vor kurzem passiert, als ich an den Geburtstag eines Freundes erinnert wurde, der sich vor einem Jahr das Leben nahm. Noch immer posten Bekannte, die von seinem Tod nicht informiert wurden, Luftballons und lustige Smileys.

Ebenso schwierig ist der Umgang mit anderen Bereichen des digitalen Nachlasses, etwa mit Blogs und anderen Online-Aktivitäten. Einheitliche Regeln, um an Passwörter zu gelangen und die Internet-Aktivitäten der Verstorbenen einzustellen, gibt es noch nicht. Auf das Sterben muss sich die digitale Welt erst einrichten.

Zu Lebzeiten den digitalen Nachlass regeln

Webseiten bieten an, Passwörter von E-Mail-Accounts, Ebay-, Facebook- und anderer Profile zu hinterlegen. Das ist wichtig, um den digitalen Nachlass schon zu Lebzeiten zu regeln. Die Unternehmen senden dann alle Passwörter nach dem Ableben des Kunden an den Partner oder eine vorher vereinbarte Person.

So funktioniert auch das Angebot der Firma Securesafe. Die Schweizer bieten ein Bankschließfach für Passwörter und alles andere, was digitalisierten Wert hat.

Auf der Onlineplattform des Berliner Unternehmens mymoria.de kann man mit einigen Mausklicks sein Begräbnis planen. Mymoria.de versteht sich als „digitales Bestattungshaus“, das mit seinem Angebot den Beerdigungsmarkt ins Netz bringt und damit auch verändern will.

Auf über 1 Mio. monatliche Zugriffe kommt die Webseite strassederbesten.de. Die Seite sieht sich als digitales Kondolenzbuch und virtueller Friedhof. Sie können ein virtuelles Grab in einer hügeligen Landschaft platzieren oder nach eigener Vorstellung frei gestalten.

Die Afterlife-App lastHello ermöglicht es, nach dem Ableben Informationen und Nachrichten aller Art an beliebige Personen zu versenden. Ein Testament auf Video aufzunehmen und hochzuladen ist rechtlich nicht bindend. Dazu braucht es ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament. Man könne lastHello aber mitteilen, wo sich das Testament befindet („etwa wo genau bei dir daheim oder bei welchem Notar“).

Davon rate ich ab.

Beitragsfoto von Mat Reding auf Unsplash.com