Depression in Alter - Die verkannte Kranktheit

Für Menschen, die trotz entspannterer Corona-Situation Schwierigkeiten haben, wieder in einen Alltag zu finden, gibt es in den USA bereits einen Namen. Sie sind die Patienten mit dem "Höhlen-Syndrom".

 

Seit den ersten Kontaktbeschränkungen vor 17 Monaten stellen Medien, Psychologen und Psychiater und Wissenschaftler die Frage, was die soziale Isolation mit Menschen macht, und wer unter ihr besonders leidet.

 

Es gab Entspannungscoaches, die Atemtechniken gegen den Lockdown-Blues anpriesen, denn PsychiaterInnen sorgten sich um steigende Suizidzahlen. Eindeutig gestiegen ist die psychische Belastung, im allgemeinen Sinn. Die Zufriedenheit, insbesondere unter jungen Menschen, ist gefallen, der Bedarf an therapeutischer Hilfe hingegen drastisch gestiegen: 40 Prozent mehr Patientenanfragen von Erwachsenen hat die Bundespsychotherapeutenkammer gezählt, sogar 60 Prozent mehr bei Kindern und Jugendlichen.

 

Depressionen - Wie wirken Antidepressiva?

Viele Menschen fühlen sich in der Corona-Krise psychisch überlastet. Antidepressiva können in solchen Situationen unterstützen – doch sie haben auch Nebenwirkungen.

Die psychische Pandemie trifft mehr junge als alte Menschen und mehr Frauen als Männer, sagen Umfragen. Und obwohl es bisher wenige wissenschaftliche Befunde in Deutschland dazu gibt, welche Milieus in den letzten Monaten ein besonders hohes Risiko hatten, psychisch zu erkranken, dürfte auch hier ein Zusammenhang gelten, wie man ihn von einer Covid-Infektion ebenso wie von anderen Krankheiten kennt: Wer Geld hat, lebt gesünder – und länger.

 

Unter den zehn Berufen mit den meisten Fehltagen aufgrund einer psychischen Erkrankung waren im Jahr 2020 zum Beispiel Altenpflegerin, Busfahrer, Erzieher, Bauarbeiterin und Security. Das teilt die Techniker Krankenkasse auf Anfrage von Zeit.de mit.

 

 In ihrer Top 10 Liste findet sich kein einziger akademischer Beruf. Psychisch krank waren also letztes Jahr nicht die Leute, die im Homeoffice saßen, sondern die, die nicht zu Hause oder überhaupt nicht arbeiten konnten.

 

Die Telefone des Krisendienstes laufen heiß

Eine ganz große Barriere, sich Hilfe zu holen, ist das Wissen über die Symptome und Behandlungsmöglichkeiten. Sind es Anzeichen für etwas Ernstes, wenn ich wochenlang schlecht drauf bin? Gehe ich zum Hausarzt, der wenig Zeit hat und schnell etwas verschreibt oder zu einer Therapeutin? Habe ich eigentlich die Fähigkeit, für das, was mich belastet Worte zu finden?

 

Kann ich es mir leisten, regelmäßig Termine wahrzunehmen, oder habe ich gar kein Geld für eine therapeutische Beratung? Dazu kommt die Angst vor den Reaktionen. Werden meine Freunde denken, dass ich verrückt geworden bin, wenn ich einen Therapeuten konsultiere?

 

Menschen mit geringem sozioökonomischen Status leisten sich deutlich weniger oft eine Psychotherapie.

 

Dabei laufen die Telefone heiß beim Krisendienst. Es sind Menschen, die Verlust- und Existenzangst quälen, die Sorge vor Arbeitslosigkeit, Einsamkeit und der Doppelbelastung von Arbeit und Kinderbetreuung.

 

Viel öfter als unter der Angst vor einer Infektion litten die Leute in den letzten Monaten unter mittelbaren Corona-Folgen wie Einsamkeit, Jobverlust und fehlendem Ausgleich. Einer älteren Frau kam ihr Leben sinnentleert vor, seit sie ihre Familie nicht mehr sehen kann und bloß noch allein zu Hause saß. Obwohl die Infektionszahlen bis zum Sommer fielen, stiegen die Anfragen an den Krisendienst.

 

Die Psychiatrien in Spitälern sind voll belegt und tragischerweise kommen viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis 21 Jahre. Am Anfang der Pandemie beobachtete die Ärzte vermehrt zwanghaftes Verhalten, manche Jugendlichen hatten so viel Angst vor dem Virus, dass sie sich die Hände wuschen, bis die Haut wund und offen war. Seit mehreren Wochen geht es zunehmend um Sorgen vor der Wiedereingliederung.

 

Vielen Jugendliche fehle das direkte Sich-Ausprobieren vor anderen und persönliche Bestätigung. Im Moment lasse es sich noch kaum abschätzen, wie dauerhaft die Folgen der Ausnahmesituation sein werden.

Wer wieder im Theater arbeiten kann, als Uber-Fahrer oder Kellnerin, hat mehr sozialen Austausch und womöglich auch etwas weniger Geld- und Zukunftssorgen. Erholt sich die Wirtschaft, erholen sich ziemlich viele Menschen.